Die wirtschaftliche Lage vieler Reitbetriebe in Schleswig-Holstein verschärft sich. Steigende Tierarztgebühren, hohe Lohnkosten, teures Futter und schwindende Nachfrage setzen Ponyfarmen, Züchtern und Vereinen massiv unter Druck. Besonders betroffen: kleine Reitschulen wie die Ponyfarm von Uschi Danes in Schafstedt.
Inhaltsverzeichnis:
- Uschi Danes in Schafstedt spürt die Preissteigerungen
- Neue Tierarztgebühren sorgen für Unsicherheit
- Pferdezucht auf dem Rückzug
- Wirtschaftsfaktor Pferd in Schleswig-Holstein unter Druck
- Zukünftige Entwicklungen ungewiss
Uschi Danes in Schafstedt spürt die Preissteigerungen
Uschi Danes führt seit 42 Jahren die Ponyfarm in Schafstedt (Kreis Dithmarschen). Sie hält dort rund 40 Ponys. Der Betrieb finanziert sich überwiegend über Feriengäste. Ein Reitschulmodell allein würde nur die Haltung von zehn Ponys ermöglichen. Derzeit nehmen zwischen 30 und 50 Kinder pro Woche am Unterricht teil. Die Teilnahme schwankt stark – regelmäßige Einnahmen lassen sich kaum kalkulieren.
Eine Reitstunde in der Gruppe kostet 20 Euro. Für viele Eltern ist das mittlerweile zu teuer. Danes sagt, sie könnte bis zu 20 Kinder zusätzlich unterrichten, doch die Nachfrage ist instabil. Gleichzeitig steigen die Kosten in fast allen Bereichen:
- Löhne für Mitarbeitende
- Preise für Pferdefutter
- Strom- und Energiekosten
- Instandhaltung der Stallungen
Ihr Personal hat sie bereits reduziert. Früher kamen rund 50 Kinder pro Woche, jetzt ist es nur noch die Hälfte. Die Belastung ist groß. Mit 67 Jahren denkt sie an den Ruhestand, doch eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Ein Ferienreitbetrieb in der Nähe hat kürzlich aus Altersgründen geschlossen.
Neue Tierarztgebühren sorgen für Unsicherheit
Im November 2022 wurde die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) grundlegend reformiert. Die Folge: Die Preise für tierärztliche Leistungen sind stark gestiegen. Die Bundestierärztekammer (BTK) betont, dass die Änderungen nötig gewesen seien. Vor der Reform arbeiteten viele Tierärzte bis zu 80 Stunden pro Woche – wirtschaftlich unrentabel.
Kai Kreling, Vorsitzender des BTK-Gebührenausschusses, verteidigt die neue Gebührenstruktur. Die sogenannte Hausbesuchsgebühr sei vergleichbar mit Handwerkerpauschalen – etwa für das Bereitstellen von Instrumenten.
Kritik kommt von Tierarzt Jürgen Martens. Er ist Mitglied der Landeskommission des Pferdesportverbandes Schleswig-Holstein. Seiner Einschätzung nach sei die Reform zwar überfällig gewesen, doch problematisch sei:
- Die Hausbesuchsgebühr fällt für jedes Pferd einzeln an, auch wenn sich mehrere Tiere auf einem Hof befinden.
- Die GOT erlaubt es Tierärzten, den doppelten oder dreifachen Gebührensatz zu berechnen – das liegt im eigenen Ermessen.
- Die Notfallgebühren am Wochenende sind besonders hoch. Pferdehalter warten deshalb teils bis zum Wochenbeginn, obwohl eine schnelle Behandlung nötig wäre.
Pferdezucht auf dem Rückzug
Die Auswirkungen der steigenden Kosten zeigen sich auch in der Zucht. Das Pferdestammbuch Schleswig-Holstein/Hamburg e. V. meldet für dieses Jahr nur noch etwa 800 geborene Fohlen. Ein historischer Tiefstand – so wenig Nachwuchs gab es seit vier Jahrzehnten nicht.
Im Vergleich zu 2019:
- Holsteiner: Rückgang um 25 %
- Trakehner: Rückgang um 20 %
Elisabeth Jensen, Geschäftsführerin des Pferdestammbuchs, sieht vor allem die nicht mehr kalkulierbaren Kosten als Ursache. Früher kostete die tierärztliche Betreuung zweier Stuten inklusive Besamung rund 800 Euro. Jetzt sind es rund 2700 Euro. Ein Anstieg von mehr als 230 %. Um zu sparen, lassen Züchter ihre Tiere in den Niederlanden behandeln – dort betragen die Kosten nur rund 150 Euro pro Stute.
Die Nachfrage nach Fohlen sinkt gleichzeitig. Züchter scheuen das Risiko und sehen in der Aufzucht keine Perspektive mehr.
Wirtschaftsfaktor Pferd in Schleswig-Holstein unter Druck
Schleswig-Holstein hat die höchste Pferdedichte Deutschlands. Laut Pferdesportverband werden jährlich etwa 650 Millionen Euro in Pferdesport und Zucht umgesetzt. 50.000 Arbeitsplätze sind direkt vom Sektor abhängig. Dazu zählen:
- Stallbetreiber
- Pferdewirte
- Hufschmiede
- Futtermittelhersteller
- Stallhelfer
Der Rückgang gefährdet diese Strukturen. Seit 2019 sind im Land sieben Mitgliedsbetriebe und 21 Vereine verschwunden – ein Minus von 4 %. Besonders deutlich ist der Rückgang bei Veranstaltungen:
- 15 % weniger Turniere und Reitertage als 2019
- 30 % weniger Starts bei Turnieren
Die Zahlen zeigen: Der Pferdesport befindet sich im Rückwärtsgang.
Zukünftige Entwicklungen ungewiss
Auf der Ponyfarm in Schafstedt versucht Uschi Danes, sich über Wasser zu halten. Ihre Tierarztkosten hält sie durch gesunde Haltung niedrig. Doch steigende Löhne, Futter- und Strompreise lassen sich kaum kompensieren. Das Angebot schrumpft, das Personal wird knapp.
Die Altersstruktur der Betreiberbetriebe stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Viele Einrichtungen stehen vor der Übergabe – doch Nachfolger fehlen. Das Interesse an der Branche sinkt, wirtschaftliche Unsicherheiten schrecken ab.
Wie lange es in Schafstedt noch weitergeht, weiß niemand. Doch klar ist: Ohne strukturelle Entlastung geraten immer mehr Betriebe in Schieflage.
Quelle: NDR